Zerbrechliche
Könige
Im
Zentrum der Ausstellung steht ein Ensemble an Skulpturen mit einem Materialmix
aus Holz (Kirschbaum, Pflaume und Eibe) und Metall
(Höhe zwischen 1,80 und 4,50 m). Sie spielen auf mehreren Ebenen mit einer grundlegenden Spannung: Mit der Vorstellung des Königs verbinden sich gemeinhin Ideen von Macht, Herrschaft und Schönheit. Dagegen sind die Skulpturen eher gewunden und zeigen die Spuren ihrer Bearbeitung. Auf den ersten Blick wirken sie zerbrechlich und verletzlich, ja beschädigt. Auf den zweiten Blick zeigen sie aber in ihrer vermeintlich rohen Materialität eine kraftvolle Spannung und eine ganz eigenwillige Präsenz. Das Holz zeigt in der Zerbrechlichkeit eine eigene Schönheit. Speziell bei den zwei kleineren Stelen in der Apsis wird ein Spiel zwischen der Beugung und Biegung als Zerbrechlichkeit und zugleich als Leichtigkeit der Bewegung sichtbar. Tanzen die beiden kleineren Figuren?
(Höhe zwischen 1,80 und 4,50 m). Sie spielen auf mehreren Ebenen mit einer grundlegenden Spannung: Mit der Vorstellung des Königs verbinden sich gemeinhin Ideen von Macht, Herrschaft und Schönheit. Dagegen sind die Skulpturen eher gewunden und zeigen die Spuren ihrer Bearbeitung. Auf den ersten Blick wirken sie zerbrechlich und verletzlich, ja beschädigt. Auf den zweiten Blick zeigen sie aber in ihrer vermeintlich rohen Materialität eine kraftvolle Spannung und eine ganz eigenwillige Präsenz. Das Holz zeigt in der Zerbrechlichkeit eine eigene Schönheit. Speziell bei den zwei kleineren Stelen in der Apsis wird ein Spiel zwischen der Beugung und Biegung als Zerbrechlichkeit und zugleich als Leichtigkeit der Bewegung sichtbar. Tanzen die beiden kleineren Figuren?
Die
verschiedenen Stelen spielen diese Spannung verschieden durch. Während eine
Stele mit Rädern auf einen Streitwagen anspielt – aber den König ohne Pferd
‚stehen läßt‘, bietet eine andere einen innerlich ausgezehrten, ‚verrotteten‘
Korpus, der doch zugleich schon wieder grazil anmutet. Eine Wandinstallation
eines Königspaares spielt mit Zerfall in Gestalt von Rost und
gleichzeitiger Schwere und Würde. Die Stelen in der Apsis variieren die
Spannung, indem mit Sägespänen und Holzabschnitten das ‚Gemachtsein‘ des
Objektes vergegenwärtigt wird.
Eine
Bemerkung zu den Köpfen der Stelen in der Apsis: Es sind ganz einfach Rührköpfe
einer alten Bäckerei. Sie zitieren auf ihre Weise die Ballettfiguren Oskar
Schlemmers. Aber speziell der Kopf der hohen Figur könnte auch eine Welt sein,
ein Globus. Oder ist es ein Zeichen von Zerbrechlichkeit als Transparenz?
Ein
durchgehendes Motiv ist die verfremdende Verwendung des königlichen Motivs des
Goldes. Dabei kommt den goldenen Rettungsdecken im Kirchenraum eine besondere
Aufgabe zu: Sie öffnen den Raum der Kunst hinein in den Raum der Gemeinde – bis
hinaus zur Garderobe am Eingang. Das Gold, die Würde und die „Rettung“ der
Rettungsdecke bewegt sich hin zur Gemeinde – als Angebot, den goldenen Umhang
einfach von dem Kleiderbügel zu nehmen und mitzunehmen.
Ist
dies religiöse Kunst? Die erste Antwort ist: Nein. Die Spannung aus königlicher
Macht und Zerbrechlichkeit gehört zu den Grundthemen des Menschseins. Die
zweite Antwort ist: Ja, die Arbeiten werden durch den zeitlichen Zusammenhang
mit der Passionszeit und Ostern und in dem besonderen Ort in einer Kirche
Variationen zu der Verletzlichkeit und Zerbrechlichkeit des Gottessohnes, der
der menschliche Jesus aus Nazareth bleibt. Natürlich wird mit den drei Figuren
die Kreuzesszene zitiert, mit der Anordnung der Figuren in der Apsis auch
zugleich wieder dementiert. Wichtig ist mir, dass die Figuren alle eine eigene
Art von Präsenz und Würde haben, in ihrer Zerbrechlichkeit auch kraftvoll sind.
Mit den goldenen ‚Mänteln‘ kommt die Rettung und Würdigung unzweideutig zu den
Menschen – nicht als Zwang, sondern als Angebot. Könnte das Gold der
Rettungsdecken ein erster Hinweis auf die Auferstehung sein?
Konzeptionell
bieten die Arbeiten eine Weiterentwicklung der Tradition der objet trouvé.
Allerdings gehen die ‚Fundstücke‘ in weitergehende Arrangements ein, die sowohl
Abstraktionen vornehmen als auch eigenwillige Materialisierungen. Die
Sägeabschnitte erinnern an den Verarbeitungsprozess – und verbinden so a) die
reale Verarbeitung, b) das Entstehen der
Zerbrechlichkeit und c) für den Zuschauer auch das Werden in der Zeit (wir
werden durch unsere Geschichte).
Im
Nebenraum werden Holzdrucke ausgestellt. Ihre Besonderheit besteht darin, dass
(mit verschiedenen Sägen) bearbeitete Holzblöcke als Druckstock dienen. Das
Objekt besteht dann aus zwei Teilen – einem Druckstock und einem einzigen
Druck, die miteinander im Gespräch sind. Dabei ist es der flache und ‚leichte‘
Druck, der einen imaginierten Raum eröffnet, während der massive Holzblock
einerseits mit seiner Materialität und eigenen Räumlichkeit wirkt und doch
zugleich ‚verletzt‘ und ‚beschädigt‘ ist. Es ist aber just diese
Verletzlichkeit und Beschädigung, die den Druck ermöglicht und eine eigene
eigenwillige Kreativität freisetzt.
Aber
am Ende, am Ausgang, dann doch das Gold, wenngleich leicht und dünn, aber
dennoch glänzend – und im echten Notfall, rettend.
Prof.
Dr. Dr. Günter Thomas /Stuttgart