Foto: Monika Leufen
Meine Damen und Herren […]!
Ich freue mich, nun bereits zum
dritten Male eine Ausstellung der Reihe
„Kunst in der Apsis“ hier in Meerbusch-Osterath eröffnen zu dürfen.
Es ist jedes Mal spannend und
herausfordernd, einen neuen Zugang zu den mir zuvor in der Regel nicht
bekannten Künstlern zu erarbeiten und Sie an diesen Gedanken teilhaben zu
lassen.
So bin ich auch Monika Leufen und deren Werken, von
denen wir einige heute unter dem
Ausstellungstitel „Licht und Farbe“
vorstellen, zum ersten Mal Anfang März dieses Jahres in ihrem Krefelder Atelier begegnet.
Frau
Blauth als Kuratorin hat bei dieser Gelegenheit neun starkfarbige Gemälde – die meisten davon
tragen den Titel „Brückenschlag“ – und vier Hinterglasbilder ausgewählt.
Diese verteilen sich teils im Kirchenraum, teils im Gemeindesaal, und werden bis zum 27.
Mai 2018, über die Hochfeste von Christi
Himmelfahrt und Pfingsten
hinweg zu sehen sein.
Was unmittelbar ins Auge springt, ist die leuchtende Farbigkeit in den
Arbeiten von Monika Leufen.
Dies gilt zunächst für die häufig von ungemischten und daher besonders intensiven Acrylfarben
dominierten Gemälde; dies gilt
aber fast noch mehr für die
kleinformatigen Hinterglasbilder, die sich mit ihren harten, glänzenden Oberflächen einerseits
der Bildschirmästhetik unserer
digitalisierten Welt annähern,
zugleich aber auch in
einer langen Tradition der
volkstümlichen gläsernen Votivtäfelchen stehen, wie man sie manchmal noch in ländlichen Dorfkirchen findet
und deren naiver Charme schon
die wichtigsten Vertreter der
Künstlergruppe „Blauer Reiter“ auf ihrem Weg in die farbige Abstraktion inspirierte.
Ist also die leuchtende Farbigkeit zunächst einmal eines der auffälligsten Charakteristika
der Bilder von Monika Leufen, so kann man dennoch nicht sagen, die Farbe
sei das letzte Ziel.
Hellere und dunklere Farben begegnen sich in den Gemälden, überlagern sich dabei manchmal lasierend, manchmal kreideartige, gitterige Strukturen bildend; es
entstehen Trübungen, aus denen das Bildlicht herauszusickern scheint.
Vor allem aber zeichnen sich darin Bewegungsspuren ab: Schraffuren von Graphitstiften,
gekurvte Farblinien, die sich zu
Rundungen schließen oder offene Bogenmotive formen.
So entstehen strukturierte Farbnebel, die sich manchmal zu einem intensiven inneren Glühen verdichten, oder (wie
in dem zentralen Bild in der Apsis, betitelt
„Lichtweg“) wo sich die intensiven
landschaftsartigen Farbstrukturen des Hintergrunds nach vorne hin, in
eine lichthafte Helligkeit
auflösen und dann im Vordergrund sich eine von roten und blauen Randspektren begleitete Lichtbahn vor das Gelb
schiebt, welches die Mittelgründe definiert.
Gerade dieses zentrale Bild der
Ausstellung scheint sich in der starken seitlichen
Beleuchtung durch die Apsisfenster aus seiner intensiven Farbigkeit
heraus in eine extreme Lichthaftigkeit
zu entmaterialisieren.
Interessanterweise lässt das
morgendliche Sonnenlicht während des Gottesdienstes ein ganz ähnliches
Farbspektrum der Kirchenfenster auf den umgebenden Wänden aufleuchten. Die farbige
Lichthaftigkeit des Gemäldes scheint dabei jedoch die matte Strahlkraft der realen
Lichtreflexe bei weitem noch zu übersteigen.
Wenngleich also die Bildfarbe das primär Wirksame ist, auf
das die Künstlerin zu Recht auch ihr Hauptaugenmerk
legt, so wird das Bildlicht doch zum eigentlichen Bildgegenstand.
Es wird ebenso zu einer zeichenhaften Erscheinung wie die schwebenden
Bogenmotive, die in einigen Bildern an
Brücken erinnern, oder wie die anthropomorphen
Gestalten und Gesichter, welche sich im Gemälde „Leben“ – dies ist das Mittlere
der drei Gemälde auf der Rückwand des
Gemeindesaales –
allmählich aus dem Strudel der Farben herauszuheben scheinen.
allmählich aus dem Strudel der Farben herauszuheben scheinen.
Bei einer ersten Betrachtung dieses
Bildes vermutete ich eine kompositorische Anlehnung an traditionelle Ölbergszenen,
eine sogenannte „Agonie“, bei der üblicherweise einem übergroß gezeichneten,
aber in sich zusammengesunkenen Jesus in einer nächtlich gesteigerten
Lichtvision der unmittelbar bevorstehende Tod vor Augen tritt, während seine in
der Nähe schlafenden Jünger in einem geringeren Bedeutungsmaßstab seitab
liegend dargestellt sind. Das Thema „Leben“ wäre in diesem Falle von seinem
äußersten Kontrast, der Todesangst, her zu begreifen.
Die Künstlerin selbst dagegen deutete
die kleine liegende Figur im Vordergrund als einen Säugling in einem
allgemeinen „Zyklus des Lebens“.
Dieser Hinweis ist nicht von der
Hand zu weisen und lenkt die Bildassoziationen auf einen zweiten bekannten
Topos: die nächtliche Geburt Christi. Man könnte demnach ebenso leicht versucht
sein, die Lichterscheinung des Bildes erneut ikonographisch als eine
Ausschnittsvergrößerung einer „Natività“, eines nächtlichen Geburtsbildes, zu
deuten.
Geburt und Agonie als Pole des
Lebens finden im Bild durchaus ihre Anknüpfungspunkte; als begriffliche
Zuspitzungen bleiben sie jedoch der abstrakten Gestaltungsweise fremd.
Die fortgeschrittene Auflösung der
Figuren in einem Strudel von Lichtern und Farben widersetzt sich letztlich jeder
allzu eindeutigen Festlegung im Sinne einer konventionellen ikonographischen Symbolik.
Zwar gibt es im Gemälde
Anhaltspunkte, die sowohl Bildassoziationen zu Geburt und Sterben als Bestandteilen
des Lebens ermöglichen, das eigentliche Lebensthema aber spiegelt sich letztendlich
ganz in der Vitalität der farbigen Strudel und damit im malerischen Duktus des
Gemäldes.
Hier deutet sich nun ein
spezifisches Verhältnis von Abstraktion
und Symbolik an, das mir bereits im Ateliergespräch auffiel, und dem ich im Folgenden noch etwas
weiter nach spüren möchte.
Interessanterweise schienen mir
Künstlerin und Kuratorin im Gespräch zunächst
durchaus verschiedenartige Symbolbegriffe zu verwenden, und so stellte ich die Frage nach der konfessionellen Prägung.
durchaus verschiedenartige Symbolbegriffe zu verwenden, und so stellte ich die Frage nach der konfessionellen Prägung.
Die unterschiedlichen
Symbolauffassungen die dem spätmittelalterlichen Nominalismus und den
Begriffsrealismen verschiedener Ausprägung zugrunde liegen, haben für uns Heutige
kaum noch weltanschauliche Bedeutung.
Gleichwohl konnten sie doch einst
die reformatorischen Kirchenspaltungen befeuern und gelegentlich spüren wir
noch heute unterschwellig die Wirksamkeit dieser unterschiedlichen
kulturgeschichtlichen Prägungen.
Der Antagonismus von stärker begriffsrealistischen
Auffassungen gegenüber eher zeichenhaften Symbolbegriffen durchzieht die ganze Philosophiegeschichte:
Er trennte einst Thomas von Aquin auf der einen Seite und Luther oder mehr noch Calvin auf der anderen.
Er trennte einst Thomas von Aquin auf der einen Seite und Luther oder mehr noch Calvin auf der anderen.
Durch die unterschiedlichen konfessionellen
Sozialisationen aber tradierten sich solche Denkmuster – oft unbewusst – noch bis
in die Gegenwart und gelegentlich vermeinen wir sie dann mitten in einer
Diskussion über Kunst zu spüren. – Religiöse Prägung wirkt bisweilen bis in
unser ästhetisches Empfinden hinein!
Und wie vermutet, bestätigte die
Künstlerin ihre ursprünglich katholische
Erziehung, durch die sie geprägt wurde, wenngleich sie sich seither in ganz
verschiedene Richtungen weiterentwickelt hat.
Dies gibt zunächst Gelegenheit
einige Angaben zur Biographie einzuflechten:
2
Biographie
Monika Leufen ist 1943 in Düsseldorf geboren und wurde –
wie nun bereits erwähnt – in ihrer Jugend katholisch geprägt.
35-jährig beginnt sie ein Produktdesignstudium
an der Hochschule des Niederrheins in
Krefeld, das sie 1984 als
Objektdesignerin mit einer Diplom-Arbeit über „Wandmalerei“ abschließt.
Von 1984 bis 86 schließt sie daran ein Zusatzstudium der freien Malerei an.
Seither hatte sie etliche Ausstellungen, zu denen wiederholt Roswitha Hirner, Professorin an der
Hochschule des Niederrheins,
die Laudatio hielt (1986, 1988, 1992, 1996).
Diese Texte sind in einem Katalog von 1997 zusammengefasst.
die Laudatio hielt (1986, 1988, 1992, 1996).
Diese Texte sind in einem Katalog von 1997 zusammengefasst.
Bereits
1989 war Monika Leufen die Erste, die eine Ausstellung im Rahmen des
„Kulturraums Notkirche Essen“ bestritt; einem Ort der über die
Jahrzehnte hinweg zu einer kulturellen Institution geworden ist. Ähnlich wie
die „Kunst in der Apsis“ hier in Osterath.
Weitere Ausstellungen folgten in der
Krefelder Mennonitenkirche und
der evangelischen Lukaskirche in
Krefeld (2013).
Man kann also festhalten dass Monika Leufens Arbeiten ökumenisch und interkonfessionell in verschiedenen kirchlichen Gemeinschaften gezeigt wurden. Sie selbst versteht ihre Arbeiten durchaus als religiös. Und Roswitha Hirner hat wiederholt in ihren Texten auf religiöse Aspekte hingewiesen.
Dennoch
bin ich hier zögerlich. Denn in welchem Sinne kann man begründet sagen, es
handele sich um religiöse Bilder?
3 Sind
Bilder religiös?
Es könnte im Rahmen dieser Ausstellung recht verlockend sein, mit einigen Zitaten und Hinweisen auf konventionelle Farbsymbolik (feuriges Rot als liturgische Heilig-Geist-Farbe, Verweis auf Pfingsten) oder traditionelle Lichtmetaphorik kurzschlüssige Bezüge zur Ikonographie der Auferstehung, Verklärung und Himmelfahrt Christi zu konstruieren.
Dies wäre jedoch in theologischer wie kunsthistorischer Hinsicht
gleichermaßen fragwürdig.
Religiosität
ist ein so weiter Begriff, dass er nichts aussagt, wenn er nicht konkret
gefasst wird.
Das häufige Auftauchen von Bogenmotiven lässt sich nicht einfach
als ein religiöses Symbol der Verbindung
von Diesseits und Jenseits vereinnahmen.
Betrachten wir das gelbe Bild an der Seitenwand des
Gemeindesaals, so fühlen wir uns an Landschaftsbilder William Turners erinnert, bei denen unvermittelt
einige Fragmente von Brückenbögen aus dem Wabern farbiger Nebel auftauchen. Alles
Schwere und Naturalistische scheint sich darin aufzulösen.
Anklänge von naturhaften und
architektonischen Elemente werden in einem
Rausch von Farben verklärt und in
eine autonome künstlerische Sphäre entrückt.
Die Bilder gründen also mindestens
ebenso im Kunsthistorischen wie im Religiös-Spirituellen.
Im linken Bild an der Rückwand des Gemeindesaales erscheinen
des Weiteren übereinander getürmte
Bögen in ausgedehnter Dunkelzone wie entfernte Erinnerungen an die
„Carceri“-Bilder Piranesis. Im Unterschied aber zur Düsternis und
Unentrinnbarkeit von Piranesis Kerkerbildern öffnet sich hier der Raum zu einem lichten Blau und hoffnungsfrohen
rosaviolett.
Damit zeigen die Bilder Monika Leufens in ihrer Farbigkeit eine spezifische Spiritualität, der ich mich nun mit einem Zitat aus dem Katalog von 1997 annähern möchte:
4 Selbstzeugnis
In diesem
Selbstzeugnis zu „Anliegen und Zielen…“ ihrer künstlerischen Arbeit beschreibt
Monika Leufen als das eigene „… Hauptanliegen: die Farbgebung. Mein Wunsch ist
es mit der Farbgebung den Empfindungsbereich des Bildbetrachters zu berühren
und […] über das Gemüthafte und Unterbewusste den Intellekt zu erreichen. Dies
ist vergleichbar mit der Wirkung, die ein Musikstück auf einen Zuhörer ausüben
kann.“
Sie stellt
sich damit gleich in zwei bedeutende künstlerische und denkerische Traditionslinien: „Farbe als
Klang“ ist zunächst ein zentraler Aspekt in der Ästhetik und künstlerischen
Theorie von Wassily Kandinsky – einem der einflussreichsten und prägendsten
Bauhauslehrer und Pioniere der abstrakten Malerei am Beginn des 20.
Jahrhunderts. Seine wichtigste Schrift handelt über „Das Geistige in der
Kunst“.
Und der
zweite Aspekt, den Leufen anspricht, das besondere Verhältnis von Intellekt und
sinnlicher Erfahrung, bzw. der vorausliegenden Empfindung greift noch weiter
zurück bis in die Onthologie und Erkenntnislehre des hochmittelalterlichen
Kirchenlehrers Thomas von Aquin, dessen klassische Formulierung „Nichts ist im
Geist, was nicht zuvor in unseren Sinnen war“ hier von Monika Leufen paraphrasiert wird.
Mit der
Fortsetzung ihres Zitates geht sie jedoch noch einen Schritt weiter und gelangt
zur Ethik oder dem, was Goethe die sinnlich-sittliche Wirkung der Farbe nannte:
„… Der
Intellekt allein schafft keine Zustandsveränderung. Nur mit […] einer […]
befreiten Psyche kann der Intellekt positiv und kreativ […] genutzt werden.“
D. h. über
die ästhetischen und erkenntnistheoretischen Grundlagen ihrer künstlerischen
Tätigkeit hinaus formuliert sie einen Appell, der zum schöpferischen und
positiven Wirken in der Welt herausfordert.
5
Conclusio
Damit aber
werden ganz spezielle Aspekte von Religiosität in ihrer Kunst konkreter
fassbar: sie thematisiert letztlich das Verhältnis von „Vita contemplativa“ und
„Vita activa“, von betrachtender und tätiger Lebensweise.
Auf der
einen Seite steht das Hören auf den „Klang“ der Dinge, auf der anderen Seite
geht es darum, den Dingen einen neuen Klang, eine andere Klangfarbe zu geben.
Der
künstlerische Weg, das Fortschreiten vom Gegenstand zur Abstraktion wird damit
selbst zum Gleichnis eines Wandlungsprozesses. Und in diesem Sinne stehen diese
Bilder dann sehr wohl in einem inneren Zusammenhang zu den geistigen Wandlungen
um die es auch im theologischen Kern der Feste von Christi Himmelfahrt und
Pfingsten geht.
Hier endete ursprünglich der
schriftlich vorbereitete Text, aber beim lauten Wiederlesen hatte ich das
Gefühl, dass an dieser Stelle kein Endpunkt, sondern ein Auftakt stehen sollte.
Und so möchte ich mit dem Appell
schließen, nun selbst aktiv zu werden und vor dem Hintergrund des Dargelegten
die Bilder neuerlich in ihrer künstlerischen Eigenheit zu betrachten.
Stephan Michaeli
Fotos (bis auf 1): Marlies Blauth