Donnerstag, 7. Juni 2018

Einführungsrede von Falk Neefken – zu Anne Kurth



Foto: Horst Kurth




Liebe Frau Kurth,
werte Kunstinteressierte,

seit 18 Jahren existiert „Kunst in der Apsis“. Ursprünglich eine Initiative zur Findung eines Objektes für die Apsis hat sich „Kunst in der Apsis“ zur Institution gemausert. Eine Transformation, die Ihnen, Frau Blauth, zu verdanken ist.

Sie, Frau Kurth, präsentieren hier zum zweiten Mal eine Auswahl Ihrer Werke. Und wieder sind es Bilder mit figürlichen Motiven, was sicher den Skeptikern abstrakter Malerei besonders gefällt. Zumal es ja seit Jahrhunderten Usus ist, in Kirchen Szenen biblischer Geschichten oder frommer Erlebnisse zu zeigen. Bilder und Plastiken, die leicht zu lesen sind und die den Gebäuden ihren Flair aufdrücken.

Ca. 1.300 Jahre ist es her, dass ein Vulkanausbruch in der Ägäis, vor Santorin, die Bewohner des Byzantinischen Reiches in Angst und Schrecken versetzte. Wie alle Naturkatastrophen damals wurde auch diese als ein Zeichen göttlichen Zorns gedeutet. Konkret, so vermuteten einige, nicht alle Theologen der damaligen Zeit, hätten die Herstellung und Verehrung von Bildern Gottes, Christi oder von Heiligen diesen himmlischen Zornesausbruch hervorgerufen.

Aus dieser Deutung entwickelte sich der erste große Streit um Bilder in der Kirche. Unversöhnlich standen sich Befürworter und Gegner gegenüber. Der Konflikt wurde damals nicht endgültig gelöst. Und ist es bis heute nicht.

Hier am Niederrhein gilt die evangelische Kirche noch immer eher als bilderfeindlich. Denn hier prägte gut 400 Jahre lang der calvinistische Zweig der Reformation das gottesdienstliche Leben, in dem der Wortverkündigung eine so herausgehobene Bedeutung zukommt, dass alles andere als überflüssig angesehen wird.

Das änderte sich nach dem Krieg durch den Zuzug von lutherisch sozialisierten Christen aus den deutschen Ostgebieten. Oft genug kam es zu unerquicklichen Szenen, wenn ein Pfarrer Kerzen, Blumen, aber eben auch Bilder aus dem Kirchraum entfernte, die sein Kollege gerade hatte aufstellen und aufhängen lassen.

Für Martin Luther sind „Bilder weder gut noch böse, man mag sie haben oder nicht haben.“ Diese Indifferenz führte zur Toleranz der Lutheraner der Kunst gegenüber. Und eröffnete so eine neue Freiheit für Künstler. Man kann das als den Beginn der autonomen Kunst deuten, die sich in den folgenden Jahrhunderten herausbildete.(W. Hofmann, „Luther und die Folge für die Kunst“).

Natürlich liegen die Wurzeln dieser Auseinandersetzung im Bilderverbot des zweiten Gebotes. Für Luther aber ist das Bilderverbot des Alten Testamentes „zeitliche Ceremonia“, also – auf das – nicht verbindlich. Er ist sich vielmehr bewusst, dass „wir armen Menschen in den fünf Sinnen leben . . . und nichts ohne Bilder verstehen noch denken können“. Für ihn sind Kunstwerke wie die Musik hilfreiche Mittel, das Evangelium zu verbreiten.

Bilder, Kunstwerke kommen unseren menschlichen Grundbedürfnissen nach, sich mit den Augen irgendwo zu orientieren und festhalten zu können. Wobei qualitätvolle Kunst nicht nur das vor den Augen Liegende abbildet oder darstellt, vielmehr gleichzeitig eine Erfahrungsebene (ggf. die religiöse Dimension) dahinter zu öffnen vermag.

Sie, Frau Kurth, stellen uns hier einen Zyklus von sieben Bildern unter der Thematik „Wasserzeichen“ vor Augen. Wasserzeichen sind Prägungen im Papier, die man oft nur mit Hilfe von Waschbenzin sichtbar machen kann. Wasserzeichen sind also Informationen, die gleichsam subkutan überkommen. Nicht sofort ersichtlich, aber doch aufspürbar, erfahrbar.

Bibelkundige werden unschwer die biblischen Szenen in Ihrem Zyklus erkennen, Frau Kurth. Anderen wird es wohl eher so ergehen wie Zeitgenossen, denen die griechische Mythologie in Bildern der Renaissance erst entschlüsselt werden muss.

Sieben. Das ist die Zahl, die Vollzähligkeit bedeutet. Ein Ganzes. Etwas Vollkommenes. In sieben Tagen hat Gott die Welt geschaffen. Und siehe, es war sehr gut, heißt es.

Sieben Tage hat die Woche. Sieben Wochen dauert die Passions- bzw. Fastenzeit, sieben Wochen liegen zwischen Ostern und Pfingsten. – So gesehen stellen Sie uns etwa Abgerundetes vor. Zumal die sieben Szenen das Spektrum von At und NT, also die ganze Bibel umfassen. Darstellungen von Wasser als Zeichen des Lebens – und des Verderbens, man betrachte in Ihrem Bild „Durchzug durchs Rote Meer“ nur das in den Wasserfluten ertrinkende ägyptische Heer.

Das Wesentliche in diesem Bild aber scheint mir die Leichtigkeit zu sein, mit der sich die Israeliten zwischen den Wassermassen bewegen, tänzelnd wie die vier in Gelb gehaltenen Frauengestalten darüber. Wie heißt es doch in einem unserer Gesangbuchlieder? Und

Miriam, Miriam schlug auf die Pauke
und Miriam tanzte vor ihnen her.
Und alle, alle fingen zu tanzen an.
Groß war Gottes Tat am Meer.

Gottes Tat. Wir wissen nicht genau, was damals geschehen ist. Anzunehmen ist, dass es hier um eine Rettungserfahrung geht. Also um Lebensermöglichung, um Lebensfreude. Beides in Ihren Bildern spürbar.

Ihr Bild „Arche Noah“ erinnert an ein modernes Containerschiff, für mich stellen sie damit einen Bezug zu unserer Gegenwart her. So wie ich im Zeigefinger des taufenden Johannes ein Zitat von Matthias Grünewald und damit zur Tradition biblischer Gemälde entdecke.

Gemälde, so habe ich Sie verstanden, sind es ja nicht, was Sie uns zeigen. Sie kommen, wie sie mir sagten, von der Radierung her. Versuchen erfolgreich, diese Technik auf Papier anzuwenden. Linien sind Ihnen dabei wichtig. Konturen. Sie zeichnen mit Bleistift vor, kolorieren mit Aquarell, meist aber mit Kreide. Ritzen Linien im Farbauftrag nach. (Aber Ihre Technik beschreiben, das können Sie, wenn gewünscht, nachher sicher besser als ich).

Sie haben im Interview mit der Presse erläutert, dass Ihnen Ihre Ideen beim Hören von Musik kommen, vor allem beim Hören von Bachkantaten, aber auch bei Stücken von Händel. Die Melodien evozieren in Ihnen offensichtlich Bilder, die Sie gestalterisch umsetzen. Und setzen sich dann seilst das Thema, hier also „Wasserzeichen“. Es sind keine Auftragsarbeiten, die Sie uns präsentieren. Schon gar keine kirchlichen. Aber Ihre Werke passen gut in unsere Kirche. – Ein Zyklus zu den sieben letzten Worte Jesu am Kreuz schmückt die Lukaskirche in Krefeld.

Das Bild in der Apsis gehört nicht zur Reihe der sieben Wasserzeichen. „Aufwärts“ titeln Sie es. Ein Emporschweben der Seele, die sich von der Erdenschwere löst, nochmals zurückblickt und dann immer leichter neue Welten schaut.

Man denkt unschwer an Tod und Auferstehung. Man könnte auch an Meditation denken. An das, was Bilder beim Betrachten auslösen.

Kein Auge ist zufrieden,
weil es sieht.
Kein Ohr fühlt sich verstanden,
weil es hört.

Die Sinne wollen mehr.
Sie wollen ineinander fließen
wie Farben,
die im Licht der Sonne baden
und wie Gefühle,
die sich in Bildern entladen.

So werden wir die Rosen singen hören
und sehen, wie die Vögel ihre Lieder
an den Himmel malen.

Kunstwerke bieten Raum für ein Sich-Einfühlen. Lassen Chancen, eigene Deutungen in die Kunstwerke zu tragen und so Bezüge herzustellen mit eigenem Erleben und eigener Sinnsuche.

Das dies mit Ihren Bildern hier in Kunst in der Apsis geschehe, das wünsche ich Ihnen und uns.

Denn Kunst und Religion, damit schließe ich, gehören eng zusammen. Beide drücken auf ihre Weise aus, was uns unbedingt angeht. Beide sind in unterschiedlicher Form an individuelle Erfahrungen gebunden.

Individuelle Erfahrungen zeigen Sie, Frau Kurth, in der Serie „Kinderspiele“ im großen Saal. Das ist aber ein anderes Thema, auf das ich nicht noch eingehen kann. Aber ansehen, sich darüber austauschen, dazu möchte ich Sie alle doch noch motivierten.




Falk Neefken