Foto: Horst Kurth
Liebe Frau Kurth,
werte Kunstinteressierte,
seit 18 Jahren existiert „Kunst in
der Apsis“. Ursprünglich eine Initiative
zur Findung eines Objektes für die Apsis hat sich „Kunst in der Apsis“ zur Institution gemausert. Eine Transformation,
die Ihnen, Frau Blauth, zu verdanken ist.
Sie, Frau Kurth, präsentieren hier
zum zweiten Mal eine Auswahl Ihrer Werke. Und wieder sind es Bilder mit
figürlichen Motiven, was sicher den Skeptikern abstrakter Malerei besonders
gefällt. Zumal es ja seit Jahrhunderten Usus ist, in Kirchen Szenen biblischer
Geschichten oder frommer Erlebnisse zu zeigen. Bilder und Plastiken, die leicht
zu lesen sind und die den Gebäuden ihren Flair aufdrücken.
Ca. 1.300 Jahre ist es her, dass ein
Vulkanausbruch in der Ägäis, vor Santorin, die Bewohner des Byzantinischen
Reiches in Angst und Schrecken versetzte. Wie alle Naturkatastrophen damals
wurde auch diese als ein Zeichen göttlichen Zorns gedeutet. Konkret, so
vermuteten einige, nicht alle Theologen der damaligen Zeit, hätten die Herstellung
und Verehrung von Bildern Gottes, Christi oder von Heiligen diesen himmlischen Zornesausbruch
hervorgerufen.
Aus dieser Deutung entwickelte sich
der erste große Streit um Bilder in der Kirche. Unversöhnlich standen sich
Befürworter und Gegner gegenüber. Der Konflikt wurde damals nicht endgültig
gelöst. Und ist es bis heute nicht.
Hier am Niederrhein gilt die
evangelische Kirche noch immer eher als bilderfeindlich. Denn hier prägte gut
400 Jahre lang der calvinistische Zweig der Reformation das gottesdienstliche
Leben, in dem der Wortverkündigung eine so herausgehobene Bedeutung zukommt, dass alles andere als überflüssig angesehen
wird.
Das änderte sich nach dem Krieg
durch den Zuzug von lutherisch sozialisierten Christen aus den deutschen
Ostgebieten. Oft genug kam es zu unerquicklichen Szenen, wenn ein Pfarrer
Kerzen, Blumen, aber eben auch Bilder aus dem Kirchraum entfernte, die sein
Kollege gerade hatte aufstellen und aufhängen lassen.
Für Martin Luther sind „Bilder weder
gut noch böse, man mag sie haben oder nicht haben.“ Diese Indifferenz führte
zur Toleranz der Lutheraner der Kunst gegenüber. Und eröffnete so eine neue
Freiheit für Künstler. Man kann das als den Beginn der autonomen Kunst deuten,
die sich in den folgenden Jahrhunderten herausbildete.(W. Hofmann, „Luther und
die Folge für die Kunst“).
Natürlich liegen die Wurzeln dieser
Auseinandersetzung im Bilderverbot des zweiten Gebotes. Für Luther aber ist das
Bilderverbot des Alten Testamentes „zeitliche Ceremonia“, also – auf das –
nicht verbindlich. Er ist sich vielmehr bewusst, dass „wir armen Menschen in
den fünf Sinnen leben . . . und nichts ohne Bilder verstehen noch denken
können“. Für ihn sind Kunstwerke wie die Musik hilfreiche Mittel, das
Evangelium zu verbreiten.
Bilder, Kunstwerke kommen unseren
menschlichen Grundbedürfnissen nach, sich mit den Augen irgendwo zu orientieren
und festhalten zu können. Wobei qualitätvolle Kunst nicht nur das vor den Augen
Liegende abbildet oder darstellt, vielmehr gleichzeitig eine Erfahrungsebene (ggf.
die religiöse Dimension) dahinter zu öffnen vermag.
Sie, Frau Kurth, stellen uns hier
einen Zyklus von sieben Bildern unter der Thematik „Wasserzeichen“ vor Augen.
Wasserzeichen sind Prägungen im Papier, die man oft nur mit Hilfe von
Waschbenzin sichtbar machen kann. Wasserzeichen sind also Informationen, die
gleichsam subkutan überkommen. Nicht sofort ersichtlich, aber doch aufspürbar,
erfahrbar.
Bibelkundige werden unschwer die
biblischen Szenen in Ihrem Zyklus erkennen, Frau Kurth. Anderen wird es wohl
eher so ergehen wie Zeitgenossen, denen die griechische Mythologie in Bildern
der Renaissance erst entschlüsselt werden muss.
Sieben. Das ist die Zahl, die
Vollzähligkeit bedeutet. Ein Ganzes. Etwas Vollkommenes. In sieben Tagen hat
Gott die Welt geschaffen. Und siehe, es
war sehr gut, heißt es.
Sieben Tage hat die Woche. Sieben
Wochen dauert die Passions- bzw. Fastenzeit, sieben Wochen liegen zwischen
Ostern und Pfingsten. – So gesehen stellen Sie uns etwa Abgerundetes vor. Zumal
die sieben Szenen das Spektrum von At und NT, also die ganze Bibel umfassen.
Darstellungen von Wasser als Zeichen des Lebens – und des Verderbens, man
betrachte in Ihrem Bild „Durchzug durchs Rote Meer“ nur das in den Wasserfluten
ertrinkende ägyptische Heer.
Das Wesentliche in diesem Bild aber
scheint mir die Leichtigkeit zu sein, mit der sich die Israeliten zwischen den
Wassermassen bewegen, tänzelnd wie die vier in Gelb gehaltenen Frauengestalten darüber.
Wie heißt es doch in einem unserer Gesangbuchlieder? Und
Miriam, Miriam schlug auf die Pauke
und Miriam tanzte vor ihnen her.
Und alle, alle fingen zu tanzen an.
Groß war Gottes Tat am Meer.
Gottes Tat. Wir wissen nicht genau,
was damals geschehen ist. Anzunehmen ist, dass es hier um eine
Rettungserfahrung geht. Also um Lebensermöglichung, um Lebensfreude. Beides in
Ihren Bildern spürbar.
Ihr Bild „Arche Noah“ erinnert an
ein modernes Containerschiff, für mich stellen sie damit einen Bezug zu unserer
Gegenwart her. So wie ich im Zeigefinger des taufenden Johannes ein Zitat von
Matthias Grünewald und damit zur Tradition biblischer Gemälde entdecke.
Gemälde, so habe ich Sie verstanden,
sind es ja nicht, was Sie uns zeigen. Sie kommen, wie sie mir sagten, von der
Radierung her. Versuchen erfolgreich, diese Technik auf Papier anzuwenden.
Linien sind Ihnen dabei wichtig. Konturen. Sie zeichnen mit Bleistift vor,
kolorieren mit Aquarell, meist aber mit Kreide. Ritzen Linien im Farbauftrag nach.
(Aber Ihre Technik beschreiben, das können Sie, wenn gewünscht, nachher sicher
besser als ich).
Sie haben im Interview mit der
Presse erläutert, dass Ihnen Ihre Ideen beim Hören von Musik kommen, vor allem
beim Hören von Bachkantaten, aber auch bei Stücken von Händel. Die Melodien evozieren
in Ihnen offensichtlich Bilder, die Sie gestalterisch umsetzen. Und setzen sich
dann seilst das Thema, hier also „Wasserzeichen“. Es sind keine
Auftragsarbeiten, die Sie uns präsentieren. Schon gar keine kirchlichen. Aber
Ihre Werke passen gut in unsere Kirche. – Ein Zyklus zu den sieben letzten
Worte Jesu am Kreuz schmückt die Lukaskirche in Krefeld.
Das Bild in der Apsis gehört nicht
zur Reihe der sieben Wasserzeichen. „Aufwärts“ titeln Sie es. Ein Emporschweben
der Seele, die sich von der Erdenschwere löst, nochmals zurückblickt und dann
immer leichter neue Welten schaut.
Man denkt unschwer an Tod und
Auferstehung. Man könnte auch an Meditation denken. An das, was Bilder beim
Betrachten auslösen.
Kein Auge
ist zufrieden,
weil es
sieht.
Kein Ohr
fühlt sich verstanden,
weil es
hört.
Die Sinne
wollen mehr.
Sie wollen
ineinander fließen
wie Farben,
die im Licht
der Sonne baden
und wie
Gefühle,
die sich in Bildern
entladen.
So werden wir die Rosen singen hören
und sehen,
wie die Vögel ihre Lieder
an den
Himmel malen.
Kunstwerke bieten Raum für ein
Sich-Einfühlen. Lassen Chancen, eigene Deutungen in die Kunstwerke zu tragen
und so Bezüge herzustellen mit eigenem Erleben und eigener Sinnsuche.
Das dies mit Ihren Bildern hier in
Kunst in der Apsis geschehe, das wünsche ich Ihnen und uns.
Denn Kunst und Religion, damit
schließe ich, gehören eng zusammen. Beide drücken auf ihre Weise aus, was uns
unbedingt angeht. Beide sind in unterschiedlicher Form an individuelle
Erfahrungen gebunden.
Individuelle Erfahrungen zeigen Sie,
Frau Kurth, in der Serie „Kinderspiele“ im großen Saal. Das ist aber ein
anderes Thema, auf das ich nicht noch eingehen kann. Aber ansehen, sich darüber
austauschen, dazu möchte ich Sie alle doch noch motivierten.
Falk Neefken