Zur
Ausstellung „Mutter Natur“ von Fern Mehring
Wenn wir uns umschauen, entdecken wir viel Blumiges und einiges
Grünendes, leuchtende Farben und anmutige Formen, lockere und dichtere
Kompositionen in einer klaren und konzentrierten Präsentation, mit der Einzelstücke
und Serien ihre Wirkung an sich und miteinander entfalten.
Da ist in der Apsis das Bild der Einladung, dessen Materialität
uns ohne rahmendes Glas direkt zugänglich ist, sowohl die dem Büttenpapier
eigene reliefartige Struktur als auch die Oberfläche des Farbauftrags.
Der dunkle Hintergrund und die raffinierte weiße Untermalung verleihen
den Motiven besondere Strahlkraft, so wie ein Licht aus finsteren
Gewitterwolken alles intensiver hervorhebt. Es sind Blüten wie Sternenräder,
rote und violette wie aus den Spektren anderer Galaxien, die in ihrem Inneren
kreisen, während die gelbe Sonne unseres Systems zwischen den Planeten im
Umlauf fern verblasst.
Das Universum Blume auf ästhetischen Wegen zu erkunden, lädt uns
diese Ausstellung ein, deren Titel unser Verhältnis zur „Mutter Natur“
aufgreift, die uns gebiert und nährt, Leben schenkt und erhält, die wir jedoch
oft weder ehren noch lieben, sondern – zu unserem vermeintlichen Nutzen – berauben
und zerstören.
Auf diese bedrohlich sich auswachsende Disharmonie verweist Fern
Mehring durch den asymmetrischen Schnitt seiner Passepartouts, die die Werke
aus der Mitte rücken, nach unten oder nach links verschieben und so ein
Ungleichgewicht spürbar werden lassen, das wir vielleicht nicht gleich
wahrnehmen, das uns aber unterbewusst begleitet.
Aus dieser Perspektive scheinen weitere Arbeiten in ihrer Doppeldeutigkeit
auf: „Anstadt“ versetzt uns in ein graues Gewölbe, das sich in regelmäßigen
Rippen auszudehnen scheint, zusammengezogen aus Dächern und Mauern zu der Höhle, in der wir
hausen, einzig durchbrochen von einem kleinen Fenster mit Ausblick in den
Blauhimmel und Platz für eine Pflanze, die in ihrem Topf üppig gedeiht.
Vor ähnlicher Kulisse keimt „Der letzte /erste Grashalm“ und
sprießt kräftigfrisch vor kaltem Feuer und schwärzlicher Asche.
Zerzaust vom Wind, zerdrückt vom Regen oder von anderen
Einflüssen mitgenommen wirkt die große Blüte, an der sich zeigt, wie genau der
Künstler beobachtet, um seine Eindrücke in verschiedenen Graden der Abstraktion
zu gestalten, in diesem Falle mit einigen konkreten botanischen Attributen: die
feine transparente Beschaffenheit der Blätter, die adrige Gliederung und faserige
Füllung, und im Zentrum der samtene Samenstaub – verwandelt zur Kunst.
Fern Mehring arbeitet vor allem mit Aquarell, das sich mit
seiner Wässerigkeit besonders dazu eignet, realistische Darstellungen
aufzulösen und ihnen in fließenden Gliederungen, Tropfen und Spritzern einen neuen
Reiz zu verleihen.
Mehrere Schichten werden lasierend und deckend, zum Teil
ineinander verlaufend übereinander gesetzt, manchmal mit den für diese Technik
charakteristischen Freiflächen, manchmal blattfüllend.
Die Farben werden nicht
nur mit dem Pinsel und dem Schwamm aufgebracht, sondern auch als Monotypie, im
Einmaldruck. Die auf das Papier gepressten bestrichenen Glasplatten ergeben
dann zarte Wölkungen, Riffelungen und Punktierungen.
Bei einigen Exponaten kommt die Kreide hinzu, die entweder
vermalt wird oder als Strich stehen bleibt.
Aus dem Wechsel von Malerei und Monotypie entsteht der
entsprechende Kontrast von gegenständlicheren und freieren Sujets: Blumen
schweben wie orangeviolette Ballons, sind zum prächtigen Strauß gepflückt oder entsteigen in
einzelnen Kelchen einem Stiel, dazwischen verteilt sich hell sprühendes Feuerwerk über weich
zergehenden floralen Konturen.
Vielfältige Schönheit finden wir auch in den kleinen Formaten, mit
denen wir uns wie durch Guckkästen oder unter einem Mikroskop in fremdvertraute
pflanzlich-tierische Welten versenken: das Auf- und Ausblühen chemischer
Reaktionen, Organellen von Zellen, amöbenhaft mäandrierende Gebilde, diffus
dahingleitendes phosphorisierendes Meeresplankton, moosige Überzüge und
Ablagerungen, Korallenbäumchen und Medusenschleier, bisweilen über einer
kristallinen Schärfe.
Mit seinen Bildern gibt Fern Mehring uns Anstoß, unserer Mutter
Natur wieder mit ursprünglicher, mit staunender Bewunderung zu begegnen, offen
zu sein für ihren Reichtum, aber auch für ihre Gefährdung und uns vielleicht an
unseren paradiesischen Auftrag zu erinnern, die Schöpfung zu bewahren.
Foto: Gertrud Loehken-Mehring