Dienstag, 17. September 2019

Fern Mehring | Mutter Natur – Einführung von Dr. Jutta Höfel









Zur Ausstellung „Mutter Natur“ von Fern Mehring



Wenn wir uns umschauen, entdecken wir viel Blumiges und einiges Grünendes, leuchtende Farben und anmutige Formen, lockere und dichtere Kompositionen in einer klaren und konzentrierten Präsentation, mit der Einzelstücke und Serien ihre Wirkung an sich und miteinander entfalten.

Da ist in der Apsis das Bild der Einladung, dessen Materialität uns ohne rahmendes Glas direkt zugänglich ist, sowohl die dem Büttenpapier eigene reliefartige Struktur als auch die Oberfläche des Farbauftrags.
Der dunkle Hintergrund und die raffinierte weiße Untermalung verleihen den Motiven besondere Strahlkraft, so wie ein Licht aus finsteren Gewitterwolken alles intensiver hervorhebt. Es sind Blüten wie Sternenräder, rote und violette wie aus den Spektren anderer Galaxien, die in ihrem Inneren kreisen, während die gelbe Sonne unseres Systems zwischen den Planeten im Umlauf fern verblasst.

Das Universum Blume auf ästhetischen Wegen zu erkunden, lädt uns diese Ausstellung ein, deren Titel unser Verhältnis zur „Mutter Natur“ aufgreift, die uns gebiert und nährt, Leben schenkt und erhält, die wir jedoch oft weder ehren noch lieben, sondern – zu unserem vermeintlichen Nutzen – berauben und zerstören.

Auf diese bedrohlich sich auswachsende Disharmonie verweist Fern Mehring durch den asymmetrischen Schnitt seiner Passepartouts, die die Werke aus der Mitte rücken, nach unten oder nach links verschieben und so ein Ungleichgewicht spürbar werden lassen, das wir vielleicht nicht gleich wahrnehmen, das uns aber unterbewusst begleitet.
Aus dieser Perspektive scheinen weitere Arbeiten in ihrer Doppeldeutigkeit auf: „Anstadt“ versetzt uns in ein graues Gewölbe, das sich in regelmäßigen Rippen auszudehnen scheint, zusammengezogen aus Dächern und Mauern zu der Höhle, in der wir hausen, einzig durchbrochen von einem kleinen Fenster mit Ausblick in den Blauhimmel und Platz für eine Pflanze, die in ihrem Topf üppig gedeiht.

Vor ähnlicher Kulisse keimt „Der letzte /erste Grashalm“ und sprießt kräftigfrisch vor kaltem Feuer und schwärzlicher Asche.

Zerzaust vom Wind, zerdrückt vom Regen oder von anderen Einflüssen mitgenommen wirkt die große Blüte, an der sich zeigt, wie genau der Künstler beobachtet, um seine Eindrücke in verschiedenen Graden der Abstraktion zu gestalten, in diesem Falle mit einigen konkreten botanischen Attributen: die feine transparente Beschaffenheit der Blätter, die adrige Gliederung und faserige Füllung, und im Zentrum der samtene Samenstaub – verwandelt zur Kunst.

Fern Mehring arbeitet vor allem mit Aquarell, das sich mit seiner Wässerigkeit besonders dazu eignet, realistische Darstellungen aufzulösen und ihnen in fließenden Gliederungen, Tropfen und Spritzern einen neuen Reiz zu verleihen.
Mehrere Schichten werden lasierend und deckend, zum Teil ineinander verlaufend übereinander gesetzt, manchmal mit den für diese Technik charakteristischen Freiflächen, manchmal blattfüllend.
Die  Farben werden nicht nur mit dem Pinsel und dem Schwamm aufgebracht, sondern auch als Monotypie, im Einmaldruck. Die auf das Papier gepressten bestrichenen Glasplatten ergeben dann zarte Wölkungen, Riffelungen und Punktierungen.
Bei einigen Exponaten kommt die Kreide hinzu, die entweder vermalt wird oder als Strich stehen bleibt.

Aus dem Wechsel von Malerei und Monotypie entsteht der entsprechende Kontrast von gegenständlicheren und freieren Sujets: Blumen schweben wie orangeviolette Ballons, sind zum prächtigen Strauß gepflückt oder entsteigen in einzelnen Kelchen einem Stiel, dazwischen verteilt sich hell sprühendes Feuerwerk über weich zergehenden floralen Konturen.

Vielfältige Schönheit finden wir auch in den kleinen Formaten, mit denen wir uns wie durch Guckkästen oder unter einem Mikroskop in fremdvertraute pflanzlich-tierische Welten versenken: das Auf- und Ausblühen chemischer Reaktionen, Organellen von Zellen, amöbenhaft mäandrierende Gebilde, diffus dahingleitendes phosphorisierendes Meeresplankton, moosige Überzüge und Ablagerungen, Korallenbäumchen und Medusenschleier, bisweilen über einer kristallinen Schärfe.

Mit seinen Bildern gibt Fern Mehring uns Anstoß, unserer Mutter Natur wieder mit ursprünglicher, mit staunender Bewunderung zu begegnen, offen zu sein für ihren Reichtum, aber auch für ihre Gefährdung und uns vielleicht an unseren paradiesischen Auftrag zu erinnern, die Schöpfung zu bewahren.



 ©2019 Dr. Jutta Höfel 







Foto: Gertrud Loehken-Mehring