Arbeiten
von Wally Althoff unter Verwendung von Bienenwachs.
oben: Sommertag, unten: Freiheit; jeweils 2024
Ein
Nachtrag zur Vernissage am 22. September 2024: Auf Wunsch veröffentlichen wir
an dieser Stelle die dialogische Einführung von Wally Althoff (kursive Texte)
und Marlies Blauth:
Liebe Gäste, ich begrüße Sie zur Vernissage von Wally Althoff – „reifen lassen und ernten“, auch im Namen unserer Kirchengemeinde.
Wir
bekommen ja viele Bewerbungen für die Kunst in der Apsis, aber dass eine
Bewerberin gleich im WDR zu hören ist, ist selten. Allerdings wurde Frau
Althoff nicht als Künstlerin, sondern als Imkerin interviewt – und überhaupt
hat sie eine interessante Biografie: Aufgewachsen im Oberbergischen Land auf
einem Bauernhof, studierte sie Agrarwissenschaften und ist promovierte
Haustier-Genetikerin, arbeitete lange in diesem Bereich als Dozentin.
Tiere,
Ackerbau, die Erkenntnis, von Witterungsverhältnissen abhängig zu sein, Arbeit
mit der Natur, Verantwortung für die Natur – alles war ihr von Kindheit an klar
und vertraut. Und sie erzählt von Prozessionen und einer geschmückten Kapelle
zu Erntedank – um der Dankbarkeit Ausdruck zu geben, dass das Sich-Fügen
gegenüber den Naturgewalten eben Früchte getragen hat, einmal mehr, einmal
weniger.
Es
kam aber auch eine Zeit, da musste sie gleichsam nachholen, was in früherer
Zeit immer auch wichtig war und sich längere Zeit hinter dem „Agrarischen“
versteckte: Die künstlerische Arbeit, die Kunst. Wally Althoff hatte als Kind
immer gezeichnet, Skizzen auf Reisen gemacht, Aquarelle angefertigt. Nun sollte
das wiederum in den Vordergrund rücken, indem sie sich künstlerisch aus- und
fortbilden ließ.
Zurück
zum Imkern, zu den Bienen: Bienenzucht ist seit dem 10. Jh. vor Christus
belegt, Honig kommt an verschiedenen Stellen in der Bibel vor, als lange
haltbares, energiereiches Nahrungsmittel.
Darüber
kann Ihnen Frau Althoff natürlich viel mehr erzählen als ich:
Seit
vielen Jahren beobachte ich den Jahreskreislauf sozusagen mit den Augen der
Bienen. Die Honigbienen sind dabei nicht nur exemplarisch für die 560 anderen
Bienen- und Wespenarten in Deutschland, sondern für alle Insekten.
Dieser
Kreislauf wird nicht bestimmt von unserem gewohnten Kalender, sondern von einem
Kalender aus Sonnenscheindauer, Tagesdauer, Blühen von Pflanzen, Regen, Tagestemperaturen
und biologischen Vorgängen im Bienenvolk, die deren Entwicklung beeinflussen.
Dieser Kreislauf startet, sobald im Frühjahr die Sonne scheint und die Temperaturen
leicht steigen.
Wenn
die Völker stärker werden und mehr Bienen aufweisen, benötigen sie neben Pollen
auch Nektar. Mit Sehnsucht erwarten die Bienen alle Blüten des Frühjahrs und
des Sommers.
Sobald
die Sommersonnenwende erreicht ist, verkürzen sich die Tage, die Bienenkönigin
legt weniger Eier, die Völker werden kleiner und bereiten sich langsam aber
sicher auf die ruhigere Zeit vor.
Die
Bienen kommen mit den hohen Temperaturen im Sommer gut zurecht, während die (durch
den Klimawandel) fehlende Kälte im Winter ihren Rhythmus deutlich stört. Sie passen
sich an, auch der Imker passt sich an. So leben wir in einem sich ändernden Kreislauf.
Die
Bienen liefern uns verschiedene Produkte: Den Honig benötigt das Volk
zum Wachsen und Gedeihen, nur ein kleiner Rest bleibt für den Imker. Sie
sammeln Pollen, das ist der Blütenstaub als Eiweiß für die gesunde
Ernährung der jungen Bienen; er kann den Menschen bei der Desensibilisierung
gegen bestimmte Pflanzenallergien helfen. Sie stellen Propolis aus dem
Kittharz von Pflanzen her, das bei Bienen und Mensch Krankheiten bekämpft und
auf natürliche Weise desinfiziert. Sie liefern Gift, das tut weh beim
Stich, hat aber auch heilende Kräfte in der Medizin. Sie schwitzen Wachs
aus, um daraus in akribischer, statisch revolutionärer Art sehr stabile
Wohnungen zu bauen. Obendrauf gibt es noch Gelee Royal als lebenslangen Futtersaft
für die Königin und für die Arbeiterlarven in den ersten 3 Tagen. Das ist ein gesunder
Powerdrink. Red bull ist nichts dagegen.
„Reifen
lassen und ernten“ ist nicht etwa nur ein Ausstellungstitel, der auf die
Erntedankzeit „gebürstet“ ist, nein, er baut eine Brücke zwischen der Kultur
der Natur – also im weitesten Sinne Ackerbau – und der Kunst.
Beiden
ist gemeinsam, dass sie besonders anfangs viel Disziplin erfordern. Frau
Althoff könnte Ihnen da Genaueres berichten (es würde hier und jetzt aber zu
weit führen), mit welchen Maßnahmen man die Böden vorbereiten muss, wie man die
Aussaat, die zarten Pflänzchen pflegen muss, um ihren Ertrag zu fördern. Aber
irgendwann kommt ein Moment, da kann man nur noch den besten Erntezeitpunkt
abwarten.
In
der Kunst ist es vergleichbar: Um disziplinierte Übungen kommt man nicht herum.
Sachzeichnungen und Naturstudien erfordern ungezählte Arbeitsstunden mit
höchster Konzentration, immer wieder neu. Aber auch hier kommt irgendwann ein
Zeitpunkt, wo man „inspiriert“ werden darf, zwar auf Erfahrungen bauend, aber
doch abwartend, was das Material, die Farbe „so macht“. Und dann lenkt man
behutsam die Farbströme, lässt feine Strukturen wie Pflänzchen „sprießen“ und
ist erstaunt, was für ein Eigenleben das Bild doch hat.
Das
ist es, was uns von der Künstlichen Intelligenz – Gott sei Dank –
unterscheidet. Sie wurde, wenn man so will: sehr diszipliniert, mit unendlich
viel Inhalt gefüttert, der dank bewundernswert-komplexer Programmierung hin-
und her verknüpft wird. „Sie“ hat eben alles schön gelernt, wie die Streber aus
der Schulzeit, denen Disziplin über alles ging und die immer schön brav
antworteten.
Wollen
Sie wissen, was die KI auf meine Frage antwortete, wie man künstlerisch Erntedank
feiern könnte? „Malerinnen und Maler könnten Ernte-Szenen oder Stillleben mit
frischen Früchten und Gemüse schaffen, um die Schönheit der Natur
darzustellen.“ Na ja. Brav eben.
Kunst
ist mehr als das Abrufen von Information. Wissen und Erfahrung gehören zwar
dazu – daher ist es gruselig, aus einem Kleinkind einen „kleinen Picasso“
machen zu wollen, wie kürzlich durch die Presse ging –, andererseits ist das
seelenlose Abbilden der Oberfläche des Sichtbaren ganz bestimmt nicht
ausreichend, auch nicht von „frischen Früchten und Gemüse“.
Kunst
fragt, anstatt nur abzubilden, nach Erfahrungen und Empfindungen des
Betrachters – ruft sie wach, lässt erinnern, verbindet Gedanken zu einem neuen
Gedanken.
Wally
Althoff hat Bienen und andere Insekten in den Fokus genommen. Immer wieder
hören wir, wie wichtig sie im ökologischen Gefüge sind, dass es ohne Bestäubung
durch Insekten oft nicht geht, dass dann die Früchte ausbleiben, die wir essen
wollen. Aber verinnerlicht haben wir es eher nicht, schlagen vielleicht nach
der Biene oder zertreten sie. Das „Untertanmachen“ haben wir leider vielfach
falsch verstanden: die Natur hin und wieder zu kultivieren, ist etwas anderes,
als sie gänzlich kontrollieren zu wollen. Dass das nicht möglich ist, haben wir
erkannt, aber auch wieder nicht so richtig: Aktuell sehen wir die Themen
Renaturierung einerseits und diametrial dazu die Gentechnik.
Und nun erzählt Ihnen Frau Althoff, warum sie sich mit Bildern von Obst und Gemüse nicht zufriedengibt – auch wenn die „Früchte des Tuns“ sowohl in Landwirtschaft als auch Kunst von außerordentlicher Wichtigkeit sind.
Mein Thema in der Malerei derzeit und hier in der Apsis sind die Bienen selber
und das Arbeiten mit Bienenwachs.
Beobachtungen
an den Völkern lassen mich unterschiedlich realitätsnahe oder abstrakte Gemälde
anfertigen. Das Leichte, das Luftige und die Transparenz der Insektenwelt möchte
ich umsetzen. Dazu gehört die Biodiversität, die Formen- und Farbenvielfalt.
Daneben
verwende ich Bienenwachs. Dieses wird schon lange in der Kunst eingesetzt für
die Herstellung von Farben oder für einen Firnis, um wasserfeste, manchmal
glänzende Schlussabdeckungen von Gemälden zu erreichen.
Ich wollte gerne aus dem Wachs meiner Bienen eine Farbe herstellen, die
sowohl meinen künstlerischen Ansprüchen genügt als auch meinen Respekt vor
diesen Tieren ausdrückt. Deshalb stelle ich ein Medium aus Dammarharz,
Balsamterpentin-Öl und Wachs her, das ich mit Ölfarben mischen und
weiterverarbeiten kann. Das ist nicht so leicht, wie ich es mir dachte. Ich
habe mir eine kleine Kochküche als Labor eingerichtet und mindestens zehn überlieferte Rezepte ausprobiert. Mittlerweile habe ich es geschafft, eine Mischung herzustellen,
die meinen Ansprüchen weitgehend genügt. Mit Ölfarben und Pigmenten entsteht eine homogene Masse, die ich mit der Rolle, dem
Spachtel oder verdünnt mit dem Pinsel auf feste Untergründe auftragen kann. Das Medium verkürzt im Unterschied zur reinen Ölfarbe die
Trocknungszeit deutlich, so dass ich schon nach 3 bis 4 Stunden weiterarbeiten kann. So entsteht Schicht auf Schicht, die durch Abkratzen, Abspachteln oder mit Stiften verändert werden kann und dabei räumliche
Dimensionen entwickelt. Das nennt sich Kaltwachstechnik.
In dieser Ausstellung sind die geschichteten, gespachtelten und gerollten Bilder in Kaltwachs neben den (mit Gouachen) lasierend gearbeiteten Werken zu sehen. Gouachen sind mit Gummiarabicum gebundene Pigmente, die sowohl deckend als auch transparent verwendet werden können, beide Techniken haben ihren Reiz.