Zur Ausstellung „Schatten und Licht“
von Helga von Berg-Harder
Helga von Berg-Harder ist Fotokünstlerin, also arbeitet sie mit
dem Licht und mit dem Schatten, der es zur Geltung bringt. Denn das eine ist
nicht ohne das andere für uns Menschen, die wir zwischen den Absoluten unseren
mittleren Weg suchen.
Diese Idee lässt sich in der Einladung wiederfinden: Von unten
groß und oben kleiner sind Keile aus Helligkeit durch die Finsternis geworfen,
grobe Tritte eines alten Pflasters, dahinter eine grusige Fläche, die
aufgelöster sich fortsetzt in dem oberen Segment, das vielleicht nicht mehr von
dieser Welt ist, wohin man nicht weitergeht, sondern aufsteigt.
Die Ausstellung steht im Kreise des kirchlichen Festes Epiphanias,
das die Erscheinung Gottes in Gestalt Christi feiert, einst zusammen mit dessen
Geburt, der unter dem Zeichen des Sterns auch die drei weisen Könige huldigten.
Die Existenz des Heilands, der leuchtende Kometenschweif und die
im Nordwinter nach der Sonnenwende nun wieder wachsenden Tage verbinden sich zu
diesem Anlass: Das Gotteslicht scheint durch den Kosmos zur Erde nieder und
durchstrahlt auch die Schattenseiten unseres Lebens.
Mit ihren auf zentrale Kontraste und ausgesuchte Effekte
reduzierten Bilder öffnet Helga von Berg-Harder unseren Assoziationen ein
weites Feld, sowohl mit den analogen Schwarzweißaufnahmen als auch mit den
leuchtend farbigen Sujets des Schach-Zyklus, in dem die Künstlerin expressive
Figurinen aus vielen Kulturen in Dialogen miteinander inszeniert und damit
Stellung bezieht zum Geschehen der Zeit.
In der Apsis sehen wir eine Landschaft aus Rotgoldtönen wie am
Rande eines Vulkans, vor dem Menschen nacheinander die Höhe erklimmen, auf der
Flucht vor der Vernichtung, vor der Hölle eines Krieges. Das Glühen umhüllt als
Wüstenatmosphäre auch die Antilopen mit übergroßem Gehörn, glänzt über die
Oberfläche der Bronzen hin und wirft ihre Schattenzeichnungen auf den Grund.
Fotografie ist in technischer und ästhetischer Hinsicht ein
Malen, Zeichnen, ein Umgang mit dem Licht, das mit dem Objektiv eingefangen und
unter anderem durch Beleuchtung, Blendenwahl, Zeit und Filter gestaltet werden
kann. Handwerkliches Können und kreative Inspiration gehen bei Helga von
Berg-Harder geglückt zusammen; sie fertigt ihre Abzüge als Unikate in der
eigenen Dunkelkammer und nutzt auch bei der Entwicklung jede Möglichkeit als
Lichtbildnerin.
Ihre kontemplativen Aufnahmen zeigen oft Naturphänomene – Erscheinungen
–, kleine Still-Leben oder große Bewegungen wie die ziehenden und treibenden
Wolken, kompakte und transparente Gebilde aus Wasser und Luft, die zwischen düstrer
Ballung und gleißender Kontur einander wie Positiv und Negativ gegenüberstehen.
Faszinierend sind dabei auch die Entsprechungen zwischen Himmel
und Erde: zartzerfasernde Wald- und Wolkensilhouetten oder fliegende
Figurationen über dem Meer und Menschen am Strand: Göttergestalten und eine
Mutter mit Kind.
In den architektonischen Serien finden sich häufig Kontraste zur
Technik:
energetische Dampfkonzentration über filigranen Strommasten oder
die harten klaren Gerüste und Seilzüge einer Hängebrücke vor feindunstigen
Schichten. Und an einer Kirche wacht ein Heiliger mit Kreuz vor dramatischer
Skyline, als wolle er dem heidnischen Schleudern von Blitzen Einhalt gebieten.
Mit ihrer Kamera hält die Künstlerin nicht nur die unmittelbare
Vorderseite der Wirklichkeit fest, sondern erfasst auch hintergründige
Bedeutungsebenen, die sie in ihren Arbeiten mitschwingen lässt.
Überhaupt ist sie eine Meisterin zurückhaltender Gestaltung, die
zumeist auf der Kunst des Sehens beruht, auf der Wahrnehmung der perfekten
Situation, in der alles passt.
Sie nennt ihre Arbeit „Fotolyrik“, die man „mit Augen fühlt“ und
betont damit nicht nur ihre künstlerische Perspektive, eine verdichtete
Formsprache zu schaffen, sondern auch das darin enthaltene Angebot, unseren
Blick in der Betrachtung ihrer Bilder zu erweitern und zu vertiefen.
Um besondere Momente wahrzunehmen, überall, wo wir sind, wie die
feinkörnigen, in den Sand gewehten Miniaturlandschaften, scharfkantig
konturierte Lichtlanzen und Schattenspeere, oder, viel alltäglicher: die
Rahmung und Rasterung des hinein- und hinausscheinenden Lichts durch die Gitter
und Kreuze unserer Fenster.
Vielleicht denken wir dabei noch einmal zurück an die Entstehung
des Christentums, in das manche Aspekte damals bestehender dualistischer
Weltanschauungen einmündeten, in denen das göttliche Licht als Funke in die
finstere Materie – auch in uns – eingekörpert ist, um sich durch Erkenntnis
aufzuschwingen und zu befreien.
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen und einige Besinnlichkeit in
dieser Ausstellung mit den Werken von Helga von Berg-Harder, gesehen und
festgehalten im spontanen Erkennen und erfahrenen Wissen um die Schönheit der
Welt.
©2020
Dr. Jutta Höfel