Montag, 20. Januar 2020

Helga von Berg-Harder | Schatten und Licht – Einführung von Dr. Jutta Höfel











Zur Ausstellung „Schatten und Licht“ von Helga von Berg-Harder


Helga von Berg-Harder ist Fotokünstlerin, also arbeitet sie mit dem Licht und mit dem Schatten, der es zur Geltung bringt. Denn das eine ist nicht ohne das andere für uns Menschen, die wir zwischen den Absoluten unseren mittleren Weg suchen.

Diese Idee lässt sich in der Einladung wiederfinden: Von unten groß und oben kleiner sind Keile aus Helligkeit durch die Finsternis geworfen, grobe Tritte eines alten Pflasters, dahinter eine grusige Fläche, die aufgelöster sich fortsetzt in dem oberen Segment, das vielleicht nicht mehr von dieser Welt ist, wohin man nicht weitergeht, sondern aufsteigt.

Die Ausstellung steht im Kreise des kirchlichen Festes Epiphanias, das die Erscheinung Gottes in Gestalt Christi feiert, einst zusammen mit dessen Geburt, der unter dem Zeichen des Sterns auch die drei weisen Könige huldigten.

Die Existenz des Heilands, der leuchtende Kometenschweif und die im Nordwinter nach der Sonnenwende nun wieder wachsenden Tage verbinden sich zu diesem Anlass: Das Gotteslicht scheint durch den Kosmos zur Erde nieder und durchstrahlt auch die Schattenseiten unseres Lebens.

Mit ihren auf zentrale Kontraste und ausgesuchte Effekte reduzierten Bilder öffnet Helga von Berg-Harder unseren Assoziationen ein weites Feld, sowohl mit den analogen Schwarzweißaufnahmen als auch mit den leuchtend farbigen Sujets des Schach-Zyklus, in dem die Künstlerin expressive Figurinen aus vielen Kulturen in Dialogen miteinander inszeniert und damit Stellung bezieht zum Geschehen der Zeit.

In der Apsis sehen wir eine Landschaft aus Rotgoldtönen wie am Rande eines Vulkans, vor dem Menschen nacheinander die Höhe erklimmen, auf der Flucht vor der Vernichtung, vor der Hölle eines Krieges. Das Glühen umhüllt als Wüstenatmosphäre auch die Antilopen mit übergroßem Gehörn, glänzt über die Oberfläche der Bronzen hin und wirft ihre Schattenzeichnungen auf den Grund.

Fotografie ist in technischer und ästhetischer Hinsicht ein Malen, Zeichnen, ein Umgang mit dem Licht, das mit dem Objektiv eingefangen und unter anderem durch Beleuchtung, Blendenwahl, Zeit und Filter gestaltet werden kann. Handwerkliches Können und kreative Inspiration gehen bei Helga von Berg-Harder geglückt zusammen; sie fertigt ihre Abzüge als Unikate in der eigenen Dunkelkammer und nutzt auch bei der Entwicklung jede Möglichkeit als Lichtbildnerin.

Ihre kontemplativen Aufnahmen zeigen oft Naturphänomene – Erscheinungen –, kleine Still-Leben oder große Bewegungen wie die ziehenden und treibenden Wolken, kompakte und transparente Gebilde aus Wasser und Luft, die zwischen düstrer Ballung und gleißender Kontur einander wie Positiv und Negativ gegenüberstehen.

Faszinierend sind dabei auch die Entsprechungen zwischen Himmel und Erde: zartzerfasernde Wald- und Wolkensilhouetten oder fliegende Figurationen über dem Meer und Menschen am Strand: Göttergestalten und eine Mutter mit Kind.




In den architektonischen Serien finden sich häufig Kontraste zur Technik:
energetische Dampfkonzentration über filigranen Strommasten oder die harten klaren Gerüste und Seilzüge einer Hängebrücke vor feindunstigen Schichten. Und an einer Kirche wacht ein Heiliger mit Kreuz vor dramatischer Skyline, als wolle er dem heidnischen Schleudern von Blitzen Einhalt gebieten.

Mit ihrer Kamera hält die Künstlerin nicht nur die unmittelbare Vorderseite der Wirklichkeit fest, sondern erfasst auch hintergründige Bedeutungsebenen, die sie in ihren Arbeiten mitschwingen lässt.
Überhaupt ist sie eine Meisterin zurückhaltender Gestaltung, die zumeist auf der Kunst des Sehens beruht, auf der Wahrnehmung der perfekten Situation, in der alles passt.

Sie nennt ihre Arbeit „Fotolyrik“, die man „mit Augen fühlt“ und betont damit nicht nur ihre künstlerische Perspektive, eine verdichtete Formsprache zu schaffen, sondern auch das darin enthaltene Angebot, unseren Blick in der Betrachtung ihrer Bilder zu erweitern und zu vertiefen.

Um besondere Momente wahrzunehmen, überall, wo wir sind, wie die feinkörnigen, in den Sand gewehten Miniaturlandschaften, scharfkantig konturierte Lichtlanzen und Schattenspeere, oder, viel alltäglicher: die Rahmung und Rasterung des hinein- und hinausscheinenden Lichts durch die Gitter und Kreuze unserer Fenster.

Vielleicht denken wir dabei noch einmal zurück an die Entstehung des Christentums, in das manche Aspekte damals bestehender dualistischer Weltanschauungen einmündeten, in denen das göttliche Licht als Funke in die finstere Materie – auch in uns – eingekörpert ist, um sich durch Erkenntnis aufzuschwingen und zu befreien.

Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen und einige Besinnlichkeit in dieser Ausstellung mit den Werken von Helga von Berg-Harder, gesehen und festgehalten im spontanen Erkennen und erfahrenen Wissen um die Schönheit der Welt.


©2020 Dr. Jutta Höfel